Als der Bus zum Potsdamer Platz kommt, ist der schon da. Im Film. Auf den Bildschirmen im Videobus erscheint die Köthener Straße, nur kann man sie nicht erkennen. Im Film ist es 1987. Curt Bois stolpert durch die schwarz-weiße Wüstenlandschaft entlang der Mauer. “Ich kann den Potsdamer Platz nicht finden”, murmelt er ins Nichts hinein.
“Das ist ein magischer Moment für mich”, sagt Arne Krasting. Und einer der Höhepunkte seiner Filmtour durch Berlin. Was drückt das Gefühl der extremen Verwandlungen Berlins besser aus als diese dreifache Präsenz völlig unterschiedlicher Versionen des Potsdamer Platzes: Als Realität, im Film, und in der Erzählung der Figur, die Curt Bois spielt. Ein alter Mann, der Berlins verschwundenes Vergnügungsviertel sucht. Tabak Loeser, “Café Josty”, das Weinhaus Huth.
Seit fünf Jahren ist Krastings Zeitreisen-Agentur bei der Berlinale dabei. Auf jeder Berlinale orientiert sich die Tour am Programm der Filmfestspiele. Das ist nicht schwer, auf die eine oder andere Weise spielt Berlin immer mit. Im letzten Jahr waren es George Clooneys “Monuments Men”. In diesem Jahr hat der Organisator der offiziellen Berlinale-Tour den Schwerpunkt auf die Berlin-Filme von Wim Wenders gelegt. “Von der Berlinale bekommt er einen Ehrenbären, von uns eine Ehrentour”, erklärt Krasting. Als Historiker hat er sich über die Chance, diese Tour zu gestalten, besonders gefreut.
“Die Filme sind ein Geschenk an die Stadt”, sagt Krasting über den “Himmel über Berlin”, aus dem die Eingangsszene stammt, und dessen Fortsetzung “In weiter Ferne, so nah!” Die Siegessäule, der Potsdamer Platz, die Berliner Mauer, die Hackeschen Höfe – diese Drehorte wird er den Besuchern seiner Tour heute vorstellen. Auf den Bildschirmen im Bus spielt er dann die Szenen aus dem Film vor. Lou Reed erscheint, Peter Falk, Horst Buchholz.
An der Siegessäule zum Beispiel, da sieht man im “Himmel über Berlin” Otto Sander auf der Schulter des Goldenen Engels stehen. Ein Stuntman ersetzte den Schauspieler. Aber den Sprung aus der Höhe, den musste Sander dann schon selbst auf der grünen Wiese darstellen. “Man sieht seinem Gesicht an, wie wenig ihm das gefällt”, erzählt Krasting. Sander sei so ängstlich gewesen, dass es ihm schließlich sogar gelungen wäre, in die einzige Lücke zwischen den für ihn aufgestellten Sprungmatten zu fallen und sich den Fuß zu verstauchen.
Manche Anekdoten sind, so wie diese, eher trivial. Andere erzählen auch ein Stück Geschichte. Für den ersten seiner Engel-Filme hatte Wenders Verhandlungen mit dem DDR-Filmminister aufgenommen. Er hatte auch im Osten der geteilten Stadt drehen wollen. Der Minister, so erzählt Krasting, habe sich wenig begeistert gezeigt. Engel, die durch Wände gehen? Dann könnten sie doch sicher auch durch Mauern gehen. Nein, aus den Dreharbeiten wurde nichts. Die Filmleute sowie die Berliner, die an der Tour teilnehmen, gestalten die zweieinhalb Stunden selbst mit. Fast an jeder Ecke fällt dem einen oder anderen noch ein Filmprojekt ein, das hier spielt.
“Victoria”, der Berlin-Film, von dem auf diesen Filmfestspielen alle reden, hat bislang noch keinen Halt bekommen. Aber bis Samstag, bis zur nächsten Tour, ist ja noch etwas Zeit.
Die Wim-Wenders-Filmtour